Seiner Zeit voraus

Der französische Filmkomiker brachte die Menschen zum Lachen – und zum Nachdenken. Mit seinen filmischen Visionen war Jacques Tati seiner Zeit voraus. „Die Ordnung der Dinge und die Geometrie des Lebens waren seine natürlichen Feinde. Im Chaos hat die Figur des Monsieur Hulot ihren vollkommensten Ausdruck gefunden“, schreibt Michael Schwarze im Nachruf auf den Künstler. Für ihn war die Synchronität das Feindbild.

Jacques Tatis kritisiert das System

Funktionierende Menschen

Es ist schon eine Überraschung, dass ausgerechnet ein deutscher Buchverlag den Nachlass des berühmten französischen Filmkomikers Jacques Tati für die Öffentlichkeit erschließt. Jacques Tati ist nicht irgendwer. Er wird zu den ganz großen Humoristen der Filmgeschichte gezählt, auf einer Ebene mit Charlie Chaplin, Buster Keaton und Harald Lloyd.

Immerhin wurde das Kino 1895 in Frankreich erfunden – von den Brüdern Lumière. Und noch heute ist die Grande Nation sehr stolz auf diese historische Tatsache. Dass der Nachlass von Jacques Tati jetzt vom Nachbarland Deutschland aus erschlossen wird, ist erstaunlich. Möglich gemacht hat es der 1980 in Köln gegründete Verlag „Taschen“, der mit dem hochwertigen Druck von Kunstbüchern und Bildbänden in großer Auflage bekannt geworden ist.

HULOT GEGEN DAS SYSTEM

„Ich bin“, sagt Tati, „ein wenig Don Quichotte, der mit Humor gegen die Windmühlen anrennt. Die Windmühlen, das sind die Rotlichter, Grünlichter, Pfeile, Spuren, Über- und Unterführungen, Umfahrungen und Ausfahrten. Mit all diesen Vorschriften und Regeln, Verboten und Hinweisen kommt man ja überhaupt nicht mehr zurecht. Es herrscht totale Konfusion.“

Tati ist irgendwie Anarchist aber vor allem ein Clown. Wie Chaplin seinen Tramp, so hat er den Monsieur Hulot erfunden, diesen träumerischen Trottel mit Regenmantel, Pfeife und viel zu kurzer Hose. Er ist kein Grimassenschneider, keiner, der sich bemüht, ständig lustig zu ein: Hulot ist das Opfer des Alltäglichen. Er eckt an, weil er nicht maßstabgerecht in seine Umwelt passt, er gerät ständig mit dem ganz Alltäglichen aneinander, weil seine Maße nicht ganz stimmen, seine Bewegungen asynchron laufen.

Tati und Hulot sind Vorbilder und heute wahrhaftiger und erstrebenswerter denn je.